Die Care-Arbeit von Angehörigen psychisch erkrankter Menschen
Die Bedeutung der Care-Arbeit von Angehörigen psychisch erkrankter Menschen ist immens und oft essenziell für den Krankheitsverlauf und das Wohlbefinden der Betroffenen. Angehörige übernehmen häufig Aufgaben, die von der emotionalen Unterstützung über praktische Hilfe bis hin zur Überwachung von Therapien reichen. Dabei stehen sie vor einer Doppelbelastung: Sie möchten für den Erkrankten da sein, aber auch sich selbst nicht vernachlässigen.
1. Wo ist Hilfe notwendig?
Angehörige leisten oft entscheidende Hilfe, wenn es darum geht, den Betroffenen im Alltag zu unterstützen, sei es durch:
- Begleitung zu Arztbesuchen: Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass der Patient regelmäßig betreut wird. Bei einer sozialen Phobie z.B. kann der Betroffene oft nicht alleine zum Arzt gehen, bzw. Termine vereinbaren.
- Erinnerung an Medikamente: Besonders bei Erkrankungen wie Depressionen, Manie oder Schizophrenie kann es vorkommen, dass Betroffene ihre Medikation vergessen oder ablehnen.
- Emotionale Unterstützung: Verständnisvolle Gespräche, geduldiges Zuhören und emotionale Nähe helfen dem Erkrankten, sich nicht isoliert zu fühlen. (SET-Modell / Kommunikation)
- Struktur im Alltag: Psychisch Erkrankte verlieren oft die Fähigkeit, ihren Alltag zu organisieren. Unterstützung dabei, Routinen zu schaffen, kann helfen, Stabilität und Sicherheit zu fördern. Hierzu zählt auch die Führung des Haushalts, Einkaufen und die Kommunikation mit psychiatrischen Einrichtungen.
2. Wo wird die Hilfe zu viel?
Es ist wichtig, als Angehöriger die Grenze zwischen hilfreicher Unterstützung und einer Überfürsorge zu erkennen:
- Überverantwortung vermeiden: Es ist verlockend, dem Betroffenen zu viel abzunehmen. Dies kann jedoch die Selbstständigkeit und die Eigenverantwortung des Erkrankten untergraben. Es ist notwendig, dass der Betroffene, im Rahmen seiner Möglichkeiten, eigenständig bleibt und lernt, mit der Erkrankung umzugehen.
- Selbstaufopferung: Viele Angehörige vernachlässigen ihre eigenen Bedürfnisse und erschöpfen sich in der Betreuung. Das führt langfristig zu Frustration, Erschöpfung oder sogar eigenen psychischen Problemen. Es ist daher wichtig, sich regelmäßig Rückzugsmöglichkeiten zu schaffen und eigene Hobbys, Freundschaften und Erholungsphasen zu pflegen.
- Professionelle Hilfe ersetzen: Angehörige sind keine Therapeuten. Auch wenn sie nahestehen und helfen wollen, kann ihre Unterstützung keine professionelle Behandlung ersetzen. Manchmal ist es notwendig, auf Fachkräfte zu verweisen und eine Grenze zu ziehen.
3. Welche Kommunikation wähle ich im Umgang mit psychisch Erkrankten?
Die Kommunikation mit psychisch erkrankten Menschen ist oft herausfordernd, da die Erkrankung ihre Wahrnehmung und Reaktionsfähigkeit beeinflusst. Einige wichtige Prinzipien sind:
- Empathisches Zuhören: Dem Betroffenen Raum geben, über seine Gefühle zu sprechen, ohne ihn zu bewerten oder Ratschläge zu geben. Oft fühlen sich Erkrankte unverstanden oder isoliert. Das Zuhören ohne zu urteilen hilft ihnen, Vertrauen aufzubauen.
- Klarheit und Geduld: Psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen beeinträchtigen das Konzentrationsvermögen. Es kann nötig sein, Informationen klar und wiederholt zu vermitteln und Geduld zu zeigen, wenn Dinge nicht sofort verstanden werden.
- Achtsamer Umgang mit eigenen Gefühlen: Angehörige sollten ihre eigenen Emotionen nicht unterdrücken, aber achtsam und nicht vorwurfsvoll über diese sprechen. Sätze wie „Ich fühle mich oft hilflos“ sind hilfreicher als „Du machst mich fertig“.
- Grenzen setzen: Klar zu kommunizieren, wenn man selbst überlastet ist oder eine Pause benötigt, ist essenziell. Es hilft, Missverständnisse zu vermeiden und gesunde Beziehungen aufrechtzuerhalten.
4. Wie schütze ich mich als Angehörige?
Der Schutz der eigenen psychischen und physischen Gesundheit ist für Angehörige eine zentrale Herausforderung. Um diese Balance zu bewahren, gibt es einige wichtige Maßnahmen:
- Selbstfürsorge: Angehörige sollten regelmäßige Auszeiten einplanen, um Energie zu tanken. Sport, Meditation oder Hobbys können helfen, Stress abzubauen.
- Grenzen setzen: Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, was man leisten kann und was nicht. Angehörige sollten realistische Erwartungen an sich selbst haben und Aufgaben delegieren, wenn sie überlastet sind.
- Professionelle Unterstützung: Auch Angehörige können und sollten sich Unterstützung holen. Dies kann durch den Besuch von Selbsthilfegruppen, durch Gespräche mit einem Psychologen oder Coach geschehen. Es ist wichtig, dass Angehörige ihre eigene emotionale Entlastung im Blick haben.
- Pflege sozialer Kontakte: Oft neigen Angehörige dazu, sich zu isolieren. Der Kontakt zu Freunden und Familie sollte aufrechterhalten werden, um Rückhalt und Unterstützung im eigenen Umfeld zu finden.
5. Welche Fehler gilt es zu vermeiden?
Die Symptome einer Erkrankung dem Erkrankten vorwerfen.
Beispiele für symptombezogene Vorwürfe:
Bei Schizophrenie: „Warum kannst du nicht einsehen, dass das, was du hörst, nicht real ist?“
Bei Depressionen: „Warum bist du so faul? Du könntest doch einfach mal aufstehen.“
Bei Angststörungen: „Stell dich nicht so an, das ist doch nichts, wovor man Angst haben muss.“
Bei Bipolaren Störungen: „Du hast immer diese Stimmungsschwankungen, das ist nicht normal. Hör auf, so unberechenbar zu sein.“
Hier ist die Psychoedukation hilfreich um die Symptome der Erkrankung zu kennen und das Verhalten des Betroffenen dadurch zu verstehen.
6. Fazit
Die Care-Arbeit von Angehörigen psychisch Erkrankter ist von enormer Bedeutung, birgt aber auch große Herausforderungen. Wichtig ist, dass Angehörige die Balance finden zwischen hilfreicher Unterstützung und Überfürsorge. Indem sie achtsam kommunizieren und ihre eigenen Bedürfnisse nicht vernachlässigen, können sie sowohl den Erkrankten gut unterstützen als auch ihre eigene psychische Gesundheit schützen.
Familiäre Unterstützung sollte als Ergänzung zur professionellen Hilfe angesehen werden.
Autorin
Iris Beck
Heilpraktikerin für Psychotherapie
Hinweis: Die Beiträge von Iris Beck im Bereich der psychischen Gesundheit und verwandter Themen dienen der allgemeinen Information. Sie können und sollen unter keinen Umständen eine ärztliche Beratung, Diagnose oder Behandlung ersetzen.
Daher sollten Sie die hier bereitgestellten Informationen niemals als alleinige Quelle für gesundheitsbezogene Entscheidungen verwenden. Bei Beschwerden sollte in jedem Fall ärztlicher Rat eingeholt werden.